EXPERTISE – BEHANDLUNGSSCHWERPUNKT
VIDEOREIHE – SCHMERZFREI LAUFEN MIT DR. MATTHIAS MARQUARDT
Hilfe bei Piriformis, Ischias, Bandscheibenvorfall.
deep gluteal syndrome, pelvic outlet syndrome, infrapiriform foramen syndrome
Ischialgie, Ischias-Schmerz, Ischias-Syndrom, Ischias-Nervenreizung
Namensgeber und Verursacher des Krankheitsbildes ist der birnenförmige Muskel (M. piriformis). Er zieht bedeckt vom großen Gesäßmuskel (M. gluteus maximus) vom Kreuzbein zur Oberkante des großen Rollhügels (Trochanter major, allgemein als Hüftknochen bekannt) und übt 5 Funktionen im Hüftgelenk aus:
Der Ischias-Nerv (Nervus ischiadicus) ist der längste und mit ca. 1,5 cm Durchmesser der dickste periphere Nerv des menschlichen Körpers. Kurz nachdem er als Teil des sakralen Nervengeflechtes (Plexus sacralis) aus dem Rückenmark entspringt, verlässt er das kleine Becken und passiert den Piriformis-Muskel. Anschließend verläuft er auf der Rückseite des Beines und teilt sich knapp oberhalb der Kniekehle in zwei Anteile auf, die dann die Muskulatur und Haut des Unterschenkels versorgen.
In der Medizin spricht man von der sogenannten Innervation: Der Nerv versorgt die Muskeln mit Bewegungs-Befehlen aus dem Gehirn (motorischer Kortex). Außerdem leiten Nerven Informationen der Wahrnehmung, die zum Beispiel in Haut, Sehnen und Muskulatur gesammelt werden (Sensibilität, Schmerz, Temperaturempfinden, Tiefensensorik etc.) zum Gehirn.
Im Bereich des besagten Muskels besteht eine anatomische Enge, die unter gewissen Voraussetzungen problematisch werden kann: Da der Nervus ischiadicus wichtige Informationen zu transportieren hat, kann ein erhöhter Druck diese Informationen stören und somit verschiedenste Symptome verursachen. (2)
Die Rotationsfunktionen des birnenförmigen Muskels nehmen eine wichtige Rolle, nicht zuletzt in der Therapie des Piriformis-Syndroms, ein. Bei weniger als 90° Hüftbeugung bewirkt er eine Außenrotation. Bei mehr als 90° ist er Innenrotator. Diese Tatsache macht man sich bei der Piriformis-Dehnung zu Nutze.: Eine Muskeldehnung ist eine passive Verlängerung eines Muskels und funktioniert daher nur in die exakte Gegenrichtung der eigentlichen Funktionsrichtung, die durch Muskelverkürzung erzeugt wird.
Beispiel: Der Oberschenkelstrecker (M. quadrizeps) wird durch eine starke Kniebeugung gedehnt. Der Oberschenkelstrecker wird dadurch praktisch in die Länge gezogen.
Bei der gängigsten Dehnübung des Piriformis-Muskels wird die Hüfte also über 90 ° gebeugt. Die Funktion des Muskels in dieser Position ist unter anderem eine Innenrotation. Zur Dehnung wird also eine kontrollierten aber starke und gleichmäßige Außenrotation erzeugt, um den Muskel zu verlängern.
ANATOMIE
Piriformis-Muskel und Ischiasnerv
– Yvonne Schäfer –
Die richtige Therapie ist entscheidend. Vereinbaren Sie einen Termin.
Der Anteil des Piriformis-Syndroms an typischen Bein- und Gesäßschmerzen (auch Ischias-Schmerzen genannt) liegt in der Literatur zwischen 0,3 % und 6%. (3) Die klinische Erfahrung in der sportmedizinischen Praxis zeigt jedoch, dass besonders unter Sportlern von einem höheren Anteil auszugehen ist. Studien aus den USA zeigen beispielsweise etwa 2,4 Millionen Neuerkrankungen jährlich. (4)
Frauen sind mit einem Verhältnis von etwa 6:1 wesentlich häufiger betroffen. (5) Das mittlere Erkrankungsalter ist 38 Jahre. (6) Wir sprechen also von einer Erkrankung oder Verletzung des jüngeren Patienten.
Wir wissen, wie das behandelt werden kann. Vereinbaren Sie einen Termin.
Als wichtigster Risikofaktor gilt eine frühere Verletzung im Bereich des Gesäßes. Im Gespräch sollte der Arzt also nach zurückliegenden Stürzen, etwa beim Sport, fragen.
Auch sitzende Tätigkeiten gehen mit einem erhöhten Risiko einher.
Bei der körperlichen Untersuchung gibt es daher Provokationstests, die der normalen Sitzposition sehr ähnlich sind und einen erhöhten Druck auf den Ischias-Nerv ausüben.
Rumpfinstabilitäten und Technikdefizite zum Beispiel beim Laufsport können ebenfalls an den verschiedensten Stellen zu Überlastungserscheinungen führen. Als bedeutsamer Stabilisator im Hüftgelenk ist der Piriformis-Muskel wesentlich am Bewegungsablauf beteiligt. Bei instabilen Verhältnissen oder Dysbalancen der Muskulatur kommt es zum reflektorischen Stabilisationsversuch, der langfristig zu einem überhöhten Muskeltonus, zur Verkürzung und letztendlich zum Piriformis-Syndrom führen kann.
Zuletzt sei erwähnt, dass nicht jede Anatomie gleich ist. Es existieren Varianten, bei denen der Ischias-Nerv direkt durch den Muskel zieht. In diesem Fall ist das Risiko für das Auftreten eines Piriformis-Syndroms erhöht.
Die Patienten klagen typischerweise über Schmerzen im Bereich des Gesäßes, sowie der Beine der jeweils betroffenen Seite. Gelegentlich kommen auch einseitige, tiefsitzende Rückenschmerzen vor. In diesen Fällen liegt häufig begleitend eine Funktionsstörung des sogenannten Kreuz-Darm-Bein-Gelenkes (ISG = Iliosakralgelenk) vor. (siehe ISG-Dysfunktion)
Sitzen wird in der Regel als unangenehm empfunden und provoziert oder verschlimmert die Beschwerden.
Hier eine Übersicht zur Häufigkeit der Schmerzlokalisation:
– Gesäß (97,9%)
– Oberschenkelrückseite (81,9%)
– Wade (59 %) (7)
Läufer beklagen häufig anfangs auch ein Schweregefühl des betroffenen Beines oder aber auch nur der Wade. Auch von Empfindungsstörungen wie einem „eingeschlafenen Bein“ wird oft berichtet. Richtige Taubheitsgefühle und Muskellähmungen treten beim Piriformis-Syndrom nicht auf und sollten an Differentialdiagnosen wie zum Beispiel einen Bandscheibenvorfall der Lendenwirbelsäule denken lassen und eine entsprechende zügige Diagnostik mittels MRT zur Folge haben.
Eine Einteilung in Stadien existiert in der Literatur nicht. Grundsätzlich kann eine akute Krankheitsphase von einem chronischen Verlauf getrennt werden. Ziel ist es, mit einem frühzeitigen Therapiebeginn eine Chronifizierung zu verhindern.
Das Piriformis-Syndrom ist eine sogenannte klinische Diagnose, die häufig nach Anamnesegespräch und körperlicher Untersuchung schon gestellt werden kann. Es existieren verschiedene Zeichen, um den Verdacht auf ein Piriformis-Syndrom zu erhärten.
Eines davon ist der FAIR-Test: Bei folgender Stellung im Hüftgelenk: Flexion, Adduktion und InnenRotation (Anbeugen, Anspreizen und Innendrehen) werden die Beschwerden verstärkt. (7) Es zeigt sich außerdem in 59–92 % ein ausgeprägter Druckschmerz im Übergang vom mittleren zum äußeren Drittel des Piriformis-Muskels.
Das Piriformis Syndrom zeichnet sich dadurch aus, dass weitere diagnostische Mittel, wie beispielsweise ein Röntgenbild und die Bilder einer Kernspinuntersuchung (MRT) unauffällig sind, oder aber die Beschwerden nicht erklären. Das birgt die Gefahr, dass die Diagnose unter bestimmten Voraussetzungen übersehen wird und …
Im ersten Fall bleibt dann eine spezifische Therapie aus und der Patient fühlt sich zurecht missverstanden oder nicht ernst genommen. Im zweiten Fall folgt nicht selten eine fehlerhafte Therapie, die bei falscher Diagnose zum Scheitern verurteilt ist.
Von entscheidender Bedeutung ist es aber auch, schwerwiegendere Ursachen für die Beschwerden auszuschließen. In der Medizin spricht man von „red flags“, die man als Arzt nicht übersehen sollte. Damit gemeint sind Symptome oder Umstände, die auf eine schwerwiegende Ursache und somit direkten Handlungsbedarf hindeuten können. Hier nur einige Beispiele dieser seltenen, alternativen Schmerzursachen:
Auch wenn Rückenschmerzen (und oft begleitend Beinschmerzen (Ischialgien) ) mit einer 12-Monats-Prävalenz von etwa 60 % sehr häufig sind und zumeist funktioneller Ursache sind, sollten Sie auf keinen Fall Fall unterschätzt werden. (8)
Die richtige Therapie ist entscheidend. Vereinbaren Sie einen Termin.
Die Therapie des Piriformis-Syndroms sollte in jedem Fall die Ursachen und die Symptome adressieren:
Grundsätzlich müssen im Verlauf der Behandlung die Risikofaktoren und unterhaltende Faktoren optimiert werden:
Koordinationsübungen
Stärkung der sogenannten Tiefenwahrnehmung (Propriozeptionstraining) durch Barfußläufe, Übungen auf wackligem, unebenem Untergrund (Posturomed, Airex-Pad, Weichbodenmatte)
Im Rahmen der konservativen stehen Schmerz und spannungslösende Maßnahmen und Techniken im Vordergrund:
Nur, wenn sich bei Therapieresistenz im MRT strukturelle Veränderungen zeigen, die die Symptomatik erklären, etwa ein Abszess oder ein großes Hämatom, das auf den Nerven drückt, ist bei Aussicht auf chirurgische Entfernung des Auslösers eine Operation direkt indiziert. Beim klassischen Piriformis-Syndrom ohne sichtbare Auslöser kann eine operative Entlastung (Dekompression) des Ischias-Nervs und/oder eine teilweise oder vollständige Durchtrennung des Ansatzsehne des Musculus piriformis erfolgen (Piriformis-Tenotomie). Die Erfolge dieser seltenst durchgeführten Maßnahmen sind allerdings wenig ermutigend. (1)
Effektiv bei: Fersensporn, Achillessehne, Hüftschmerzen, Tennisarm und Kalkschulter.
3–5 Impulse (radiale oder fokussierte Stoßwelle) mit 10 Tage Abstand.
Das Piriformis-Syndrom ist in der Regel gut zu behandeln, sodass der konservative Therapieansatz normalerweise von Erfolg gekrönt ist. Bei dauerhaftem Versagen der Therapie sollten auch andere strukturelle Ursachen für die Beschwerden in Betracht gezogen werden. Lokale Entzündungen (Abszesse), Verkalkungen oder aber andere Prozesse, die eine Reizung des Ischias-Nerven auslösen, können vergleichbare Symptome ebenfalls auslösen.
Der Erfolg von operativen Maßnahmen ist, nach Ausschluss seltener operativ anzugehender Ursachen, kein sinnvoller Therapieansatz. (1)
Die tägliche Dehnung des Piriformis-Muskels sowie auch der umgebenden Glutealmuskultatur ist entscheidend für die Symptombekämpfung. Besonders bei sitzender Tätigkeit kann die Durchführung täglicher Dehnübungen vor Beschwerden schützen und führt zu einer besseren Beweglichkeit.
Normalerweise verläuft der Ischias-Nerv unterhalb des Piriformis-Muskels, das heißt in etwa 94% der Fälle. In den übrigen Fällen besteht eine sogenannte Anatomische Variante - ein von der "Norm" abweichender Verlauf des Nervs. Insgesamt sind 6 verschiedene Verläufe bekannt (oberhalb, mittendurch usw.) (1)
Im Jahre 2007 sind in einer Studie der Bundeswehr zur fliegerischen Verwendung 488 junge Männer zwischen 17 und 24 Jahren mittels MRT der gesamten Wirbelsäule untersucht worden. Alle Männer waren vollständig beschwerdefrei und ohne körperliche Einschränkungen. Es zeigten sich in 81,2 % abnorme Veränderungen der Wirbelsäule oder des Rückenmarks, darunter in 49 % der Fälle Bandscheibenveränderungen.
Das sollte klar machen, wie groß die Gefahr ist, ein Piriformis-Syndrom zu übersehen und die Beschwerden auf eine möglicherweise irrelevante Bandscheibenveränderung zurückzuführen. In beide Richtungen ist Fingerspitzengefühl und klinische Erfahrung gefragt, um keine falschen Schlüsse zu ziehen. (9)
ÜBUNG 1
Setzen Sie sich in den Langsitz und stützen Sie sich auf die Hände oder Unterarme ab. Winkeln Sie ein Bein 90° Grad an und legen Sie das Sprunggelenk auf den Oberschenkel. Rollen Sie nun das Gesäß ab. (Alternativ lassen Sie die Beine gestreckt und platzieren den Ball unter Ihrem Gesäß)
Wiederholungsanzahl:
10 x vor- und zurückrollen
ÜBUNG 2
Machen Sie einen Ausfallschritt. Der Unterschenkel des hinteren Beins wird mit dem Knie auf dem Boden abgelegt. Der Fußrücken liegt auf dem Boden auf. (ggf.weiches Polster unter das Knie legen).
Der Unterschenkel des vorderen Beines wird nun nach innen abgelegt, sodass Knöchel und Knie eine Linie bilden. Um die Dehnung in der Gesäßhälfte noch zu verstärken, neigen Sie den Oberkörper nach
vorne unten. Achten Sie darauf, dass der Unterschenkel nicht "nach innen unten" wandert.
Wiederholungsanzahl:
3 x 30-60 Sek. halten/Seite
ÜBUNG 3
Gehen Sie in den Vierfüßerstand und führen das Deuserband um beide Hände. Setzen Sie Ihren Fuß in das Band. Spannen Sie die Bauchmuskulatur zur Fixierung Ihres Rumpfes an. Strecken Sie das am Band befestigte Bein maximal nach hinten (Streckung in Hüfte, Knie, Sprunggelenk!). Die Hüfte bleibt dabei bodenparallel. Es besteht eine Linie von Kopf bis Fuß. Führen Sie das Bein dann wieder langsam zurück, setzten Sie es aber nicht auf dem Boden ab.
Zusätzlich können in der Endposition kleine geführte Auf- und Abbewegungen (5 - 10) ausgeführt werden.
Wiederholungszahl:
3 x 15 je Seite
ÜBUNG 4
Stellen Sie die Füße ungefähr hüftbreit. Gehen Sie nun so weit wie möglich in die Hocke. Achten Sie bitte darauf, dass die Fersen fest am Boden bleiben. Sie können sich, wenn nötig an einem Tisch
oder Stuhl festhalten. Die Dehnung erfolgt über die gesamte Rückseite des gesamten Körpers, incl. der Fußsohlen.
Wiederholungszahl: 3 x 30-60 sec. Diese Übung kann mehrfach am Tag durchgeführt werden.
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Gute Besserung.
QUELLEN
(1) Jankovic D, Peng P, Zundert A. Brief review: Piriformis syndrome: Etiology, diagnosis, and management/article de synthese court: Le syndrome du muscle piriforme -- etiologie, diagnostic et prise en charge. Canadian Journal of Anesthesia / Journal canadien d'anesthesie. 2013;60(10). doi: 10.1007/s12630-013-0009-5.
(2) Schünke M, Schulte E, Schumacher U, Voll M, Wesker K. Prometheus allgemeine anatomie und bewegungssystem, 2. überarbeitete und erweiterte auflage. . 2014.
(3) Hallin RP. Sciatic pain and the piriformis muscle. Postgraduate Medicine. 1983;74(2):69-72. https://doi.org/10.1080/00325481.1983.11698378. Accessed Feb 8, 2019. doi: 10.1080/00325481.1983.11698378.
(4) Fishman LM, Anderson C, Rosner B. B???? and physical therapy in the treatment of piriformis syndrome. American Journal of Physical Medicine & Rehabilitation. 2002;81(12):936. https://journals.lww.com/ajpmr/Abstract/2002/12000/B????_and_Physical_Therapy_in_the_Treatment_of.9.aspx. Accessed Feb 8, 2019.
(5) Papadopoulos EC, Khan SN. Piriformis syndrome and low back pain: A new classification and review of the literature. Orthop Clin North Am. 2004;35(1):65-71. http://europepmc.org/abstract/med/15062719. Accessed Feb 8, 2019. doi: 10.1016/S0030-5898(03)00105-6.
(6) Benson ER, Schutzer SF. Posttraumatic piriformis syndrome: Diagnosis and results of operative treatment*. JBJS. 1999;81(7):941. https://journals.lww.com/jbjsjournal/Abstract/1999/07000/Posttraumatic_Piriformis_Syndrome___Diagnosis_and.6.aspx. Accessed Feb 8, 2019.
(7) Blaser-Sziede R. Piriformissyndrom - kritische beurteilung der literatur und diskussion der klinischen zusammenhänge. manuelletherapie. 2006;10(4):159-169. http://www.thieme-connect.de/DOI/DOI?10.1055/s-2006-927036. Accessed Feb 8, 2019. doi: 10.1055/s-2006-927036.
(8) Nationale VersorgungsLeitlinie nicht-spezifischer kreuzschmerz. Journal Club AINS. 2017;6(2):68. doi: 10.1055/s-0043-111024.
(9) Pippig T. Über die häufigkeit von asymptomatischen wirbelsäulen- und rückenmarkveränderungen bei jungen männern - eine MRT-studie an 488 beschwerdefreien männern zwischen 17 und 24 jahren. . 2009. https://search.datacite.org/works/10.18725/OPARU-1617. doi: 10.18725/OPARU-1617.