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EXPERTISE – BEHANDLUNGSSCHWERPUNKT

Funktionelles Kompartment-Syndrom

Ein Kompartment-Syndrom ist eine krankhafte Druckerhöhung in einem durch eine straffe Muskelfaszie begrenzten Raum (Kompartment), welche mit Schmerzen, Funktionsstörungen, neurologischen Ausfällen und Durchblutungsstörungen einhergehen kann. Man unterscheidet das chronische, funktionelle Kompartment-Syndrom, um das es hier gehen soll, von einer akuten und bedrohlichen Verlaufsform nach schweren Unfällen und Operationen. (1)

Kompartment ist übrigens ein eingedeutschtes Wort. Das englische Wort „compartment“ wird eigentlich mit dem deutschen Wort „Kompartiment“ übersetzt. Sie werden aus praktischen Gründen manchmal analog benutzt. 


Synonyme

exertional compartment syndrome, chronic exertional compartment syndrome (CECS), Muskellogensyndrom



Differentialdiagnosen

Vorderes Schienbeinkantensyndrom, Mediales Schienbeinkantensyndrom (shin splin), Ermüdungsbruch



Anatomie

Die Muskulatur des Unterschenkels ist von derben Faszienhüllen umgeben. Dadurch lässt sich die Unterschenkelmuskulatur in vier verschieden Kompartimente einteilen. Jedes dieser Kompartimente ist von einer Muskelfaszie umgeben: 

  1. Extensorenloge (Vorderes Kompartment, Tibialis anterior Loge)
    Vorderer Schienbeinmuskel, Zehenstrecker, Nerven und Gefäße
  2. Peronäusloge (Seitliches Kompartment)
    Wadenbeinmuskulatur, Nerven und Gefäße
  3. Oberflächliche Flexorenloge (Hintere oberflächliche Loge)
    Zwillingswadenmuskel, Schollenmuskel
  4. Tiefe Flexorenloge (Hintere tiefe Loge)
    hinterer Schienbeinmuskel und Zehenbeuger, Nerven und Gefäße (2)  

Durch ein Missverhältnis zwischen Dehnbarkeit der Muskelfaszie und Platzbedürfnis der Muskulatur kann es zu einem Teufelskreis (circulus vitiosus) kommen: 

 

Durch Muskelarbeit kommt es zur physiologischen Wassereinlagerung in den Muskel (Ödembildung): Die Muskulatur wird also nach einer intensiven Sporteinheit dicker und man spürt sie. Bis dahin alles normal.  

 

Ist der Raum allerdings, den der Muskel zum Ausdehnen braucht, zu eng, erhöht sich der Druck in der Muskelloge. Der steigende Kompartmentdruck führt dazu, dass kleinste Gefäße (Kapillaren) abgedrückt werden. Dies führt zu einer Sauerstoffunterversorgung des Muskelgewebes: Muskelschmerzen, Krampfgefühl und Muskelschwäche sind die Folge. Da sich in den Kompartimenten neben der Muskulatur auch noch Nerven und Gefäße befinden, kann es außerdem zu Taubheitsgefühlen, Kribbelgefühlen oder gar zur neurogenen Muskelschwäche kommen. 

 

Beim hier beschriebenen funktionellen Kompartmentsyndrom nimmt das Krankheitsbild und die Unterversorgung glücklicherweise keine bedrohlichen Maße an. Nach Beendigung der Belastung sinkt auch der Logendruck wieder und die Symptome sind rückläufig. 

 

Beim akuten Kompartmentsyndrom führt der steigende Gewebsdruck hingegen in einen Teufelskreis: Die ausgeprägte Mangelversorgung verstärkt das Ödem und der Druck steigt weiter, sodass im Verlauf auch die arterielle Durchblutung vollständig abgedrückt wird und somit gar keine Nährstoffe mehr ins Gewebe gelangen. Patienten verspüren in der Regel heftigste Vernichtungsschmerzen, die auch durch starke Schmerzmittel nicht gelindert werden können. (1)  

 

Ein akutes Kompartmentsyndrom ist eine absolute Notfallindikation für eine sofortige operative Faszienspaltung. 

 



Risikofaktoren, Stadien und Diagnostik

Sina (28) ist frustriert. Immer wieder unternimmt sie neue Versuche, den Laufsport für sich zu entdecken. Sie scheitert jedoch fortwährend an der 3-Kilometer-Hürde. Nicht einmal außer Atem sei sie, aber Schmerzen des vorderen Schienbeins nach drei Kilometern zwingen sie zum Anhalten, berichtet sie ihrem Sportarzt. Außerdem ein mit längerer Laufstrecke zunehmend unkontrolliertes Aufsetzen der Füße seien ihr Problem. In ihrer Bewegungsanlayse ist ein Overstriding sowie ein extremer Fersenlaufstil zu sehen. Es wird ein Funktionelles Kompartmentsyndrom der Extensorenloge diagnostiziert. Sina hat ihre Laufschuhe gegen Schuhe mit einer geringeren Sprengung eingetauscht. Neben dem Training der Beinachsenstabilität arbeitet sie mit einem Trainer an ihrer Lauftechnik.


Epidemiologie

In 45% aller Fälle ist die Extensorenloge betroffen.

Die Diagnostik des Kompartmentssyndroms ist komplex. Vereinbaren Sie einen Termin.

Das funktionelle Kompartment-Syndrom zählt zu den selteneren Sportverletzungen. Einigen Studien zufolge trete es bei 14–33% der Normalbevölkerung sowie bei 27–33% der Elitesportler auf. Diese Zahlen erscheinen deutlich zu hoch gegriffen. Dennoch steht fest, dass dieses Krankheitsbild häufig verkannt wird. Die Diagnosestellung und der Umgang mit dieser Überlastungsverletzung bedürfen einiger sportmedizinsicher Erfahrung und differentialdiagnostischen Gespürs. 

 

Obwohl das Kompartment-Syndrom auch im Armbereich auftreten kann (Handwerker, Bauarbeiter nach starker Überlastung), tritt es am häufigsten im Bereich des Unterschenkels auf. Hier die Häufigkeitsverteilung der einzelnen Logen. 

  1. Extensorenloge 45%
  2. Tiefe Flexorenloge 40%
  3. Peronäusloge 10%
  4. Oberflächliche Flexorenloge 5% (3)


Risikofaktoren

Exemplarisch werden hier die spezifischen Risikofaktoren für die häufigste Form des funktionellen Kompartmentsyndroms genannt, dem des vorderen Kompartments (Extensorenloge) des Unterschenkels: 

  1. Weibliches Geschlecht (4)
  2. Aufsetzen des Fußes vor dem Körperschwerpunkt (Overstriding)(4)
  3. Fersenlaufstil / Großer Dorsalextensionswinkel beim Fußaufsatz (4)
  4. Falsches Schuhwerk (große Fersensprengung)
  5. Sprunghafte Veränderung des Trainingsregimes 

Den meisten Literaturquellen zufolge haben Frauen ein etwas höheres Risiko an einem funktionellen Kompartmentsyndrom zu erkranken als Männer. 

 

Ein ganz entscheidender Grund für die Überlastung der Fußheberloge (vorderes Kompartment) ist eine mangelhafte Lauftechnik. 

Ein Fersenläufer ist deutlich häufiger betroffen als ein Mittelfuß- oder Vorfußläufer. Da allerdings nicht jeder Fersenläufer betroffen ist, muss es weitere Gründe geben. In Studien fiel auf, dass zwei Dinge mit der Entstehung eines Kompartmentsyndroms zusammenhängen.  

„Overstriding“ ist ein zusammengesetztes englisches Wort und kann mit „überschreiten“ übersetzt werden. Damit ist gemeint, dass Betroffene beim Laufen den Fuß zu weit vor den Körper setzen und sich damit die sogenannte exzentrische Belastung der Schienbeinmuskulatur drastisch erhöht. Exzentrische Belastungen sind Muskelkontraktionen, die mit einer gleichzeitigen Verlängerung des Muskels einhergehen und sind besonders fordernd. Ein Overstriding geht übrigens meist mit einer zu großen Schrittlänge und damit einer niedrigen Schrittfrequenz einher. 

Ebenfalls nachgewiesen werden konnte ein „erhöhter Dorsalextensionswinkel“ beim Aufsetzen des Fußes. Dabei wird der Winkel zwischen Fuß und Schienbein im Moment des ersten Bodenkontaktes gemessen. Je stärker die Dorsalextension, also je stärker der Fuß nach oben gezogen wird, desto extremer die exzentrische Belastung und desto häufiger tritt ein funktionelles Kompartment der vorderen Loge auf.  

Beide Phänomene, also Overstriding und ein erhöhter Dorsalextensionswinkel sind miteinander assoziiert und treten meist gemeinsam auf. 

 

Verstärkt werden können diese Effekte durch die Wahl des Laufschuhs. Hier ist ein wichtiges Stichwort die sogenannte „Fersensprengung“. Diese bezeichnet die Differenz der Sohlendicke zwischen Vorfuß- und Fersenbereich (also, wie sehr die Ferse gegenüber dem Vorfuß angehoben wird). Je größer diese Differenz, desto mehr wird über die Ferse gelaufen und desto größer wir die exzentrische Arbeit des vorderen Scheinbeinmuskels. Dadurch wird oben beschriebene Problematik noch verstärkt.

 

Direkter Auslöser kann wie bei allen orthopädische Überlastungsverletzungen eine sprunghafte Umfangs- oder Intensitätserhöhung des sportartenspezifischen Trainings sein, die im Zuge der Prävention von Überlastungsverletzungen vermieden werden sollte.  



Beschwerden

  • Belastungsabhängige Schmerzen nach immer gleicher Laufstrecke (oft ca. 3 km)
  • Schmerzen verhindern Weiterlaufen
  • Verschwinden der Schmerzen direkt nach Pausieren der Belastung (5)
  • Muskuläres Schwächegefühl
  • Taubheitsgefühl im Bereich der Füße und Zehen
  • Krampfgefühl des betroffenen Muskels
  • Bergauf schlechter als bergab (Vorderes Kompartment-Syndrom) (4)

 

Die Beschwerden eines funktionellen Kompartmentsyndroms treten typischerweise immer im selben Trainingsmoment auf. Das heißt, die Beschwerden sind reproduzierbar und der Sportler kann genau sagen, nach welcher Distanz und bei welcher Intensität die Probleme beginnen. 

Bei einem betroffenen vorderen Kompartment könnte das so aussehen: 

 

Im Wohlfühltempo (z.B. 05:30 Min/km) beginnen konstant bei jedem Lauf nach etwa 3 km die Beschwerden, initial oft mit einem Erschöpfungsgefühl der Fuß- und Zehenhebemuskulatur, das sich in ein unangenehmes Druck- oder sogar Krampfgefühl weiterentwickelt. Der Bewegungsablauf wird unrunder und schließlich kommt es durch eine entstehende Muskelschwäche zu einem unkontrollierten und plumpen Aufsetzen des Vorfußes.  Es können sogar Taubheits- oder Kribbelgefühle im Bereich zwischen der ersten und zweiten Zehe auftauchen. Die Muskelloge ist empfindlich, druckschmerzhaft und fühlt sich prall und geschwollen an. Nach einer reproduzierbaren Strecke zwingt sie den Sportler dann zum Abbruch der Belastung. Mit Beendigung der Belastung hört auch der Schmerz auf und kehr erst nach einer gewissen Laufstrecke zurück. Damit lässt sich die Erkrankung auch von Differentialdiagnosen wie den Schienbeinkantensyndromen (s. Inneres Schienbeinkantensyndrom) unterscheiden, die typischerweise auch nach einer Laufunterbrechung sofort wieder Schmerzen verursachen. 

 

Typisch ist außerdem, dass Betroffene eines vorderen funktionellen Kompartmentsyndroms schlechter bergauf als bergab laufen können. Durch die Steigung müssen Fuß und Zehen vermehrt angehoben werden und provozieren so noch früher Beschwerden als auf ebener Strecke oder beim Bergablaufen. 



Stadien und Verlauf

Man unterscheidet ein akutes Kompartment-Syndrom von seiner chronischen Form:  

 

Ein akutes Kompartment-Syndrom...

  

...ist ein bedrohliches Krankheitsbild, das mit stärksten Schmerzen, neurologischen Ausfällen und Absterben von Muskelgewebe einhergehen kann. Es entsteht meist im Rahmen von schweren Knochenbrüchen oder aber nach Operationen. Es ist immer als Notfall zu werten und muss unverzüglich schnellstmöglich operativ angegangen werden. (1)

 

 

Ein chronisches und funktionelles Kompartment-Syndrom...

 

... ist nicht bedrohlich und tritt als Überlastungsverletzung im Sport oder bei körperlicher Arbeit auf. Im englischen bezeichnet man die Erkrankung als „exertional compartment syndrome“, was so viel wie belastungsinduziertes Kompartment-Syndrom bedeutet. Die Symptomatik ist deutlich milder ausgeprägt, als bei der Akutform und endet nach Pausieren der Belastung. 



Diagnostik und Bildgebung

Das funktionelle Kompartmentsyndrom ist eine klinische Diagnose. Wegweisend ist vor allem die sehr typische Anamnese. Betrachtet man sie gemeinsam mit möglicherweise vorhandenen Risikofaktoren, kann sie allein schon zum Verdacht führen. Typisch ist ebenfalls, dass die körperliche Untersuchung beim Arzt meist unauffällig ist. 

 

Auch bildgebende Verfahren wie ein „normales“ MRT oder Röntgenaufnahmen führen nicht zum Ziel, sondern zeigen meist einen unauffälligen Befund. So ist die Erkrankung häufig eine so genannte Ausschlussdiagnose, die erst in Betracht gezogen wird, wenn andere Diagnosen ausgeschlossen sind. Dieser Prozess ist schierig, braucht doch der Arzt dafür eine besondere laufsportliche Expertise.

 

Um sicher zur Diagnose zu gelangen hält sich der Experte in der Regel an folgenden Untersuchungsablauf:

  1. Anamnese und klinische Untersuchung
  2. Ultraschalluntersuchung (FKDS)
  3. Invasive Druckmessung im Kompartiment
  4. Ursachenforschung (Schuh- und Bewegungsanalyse)
  5. ggf. alternative Methoden (NIRS, MRT) 

 

Farbkodierte Duplexsonographie (FKDS)

 

Es gibt eine wenig verbreitete Untersuchung, die eine relativ sichere und vor allem nicht-invasive Diagnosesicherung erlaubt. Sie erfordert Expertise und Erfahrung seitens der Untersuchers:

 

Die Farbkodierte Duplexsonographie (FKDS) ist eine ganz Ultraschalluntersuchung, die es erlaubt, den Blutfluss von Beinvenen und -arterien zu beurteilen. Sie wird in der Inneren Medizin meist eingesetzt, um Engstellen der Arterien bei Durchblutungsstörungen darzustellen. Und so funktioniert sie in der Diagnostik des Funktionellen Kompartment Syndroms mittels Ultraschall: Normalerweise sind die Unterschenkelvenen in Ruhe und auch bei Belastung gefüllt und im Ultraschall gut sichtbar. Steigt der Druck im Kompartment an, so werden die Venen, die in Ruhe noch darstellbar waren, zusammengedrückt und sind nicht mehr sichtbar. Bei noch größerer Drucksteigerung, werden auch die Arterien zusammengedrückt, was man im Farbdoppler-Verfahren gut darstellen kann. Hier folgen die Details für besonders Interessierte und Kollegen:

 

1.  Fehlende Darstbarkeit der tiefen Unterschenkelleit-/Muskelvenen im betroffenen Kompartment bei guter Darstellbarkeit in Ruhe (Druckwerte >30 mmHg

 

2.  Wie 1 plus vermehrte arterielle Wandpulsation (gut erkennbar im B-Bild) sowie ggf. holodiastolischer retrograder arterieller Fluss (Druckwerte >60 mmHg)

 

3.  Wie 1+2 plus enddiastolischer arterieller Gefäßkollaps mit Strichartefakt in der Frequenzanalyse (Druckwerte >80 mmHg) 

 

Bewegungsanalyse

 

Zu einer vollständigen Diagnostik und im Zuge der Ursachenforschung sollte außerdem immer eine Bewegungsanalyse erfolgen. Hier werden Technikdefizite, Risikofaktoren wie „Overstriding“ und muskuläre Dysbalancen ermittelt und können anschließend gezielt in die individuelle Therapie mit eingebracht werden.

 

Invasive Druckmessung

 

Zur Diagnosesicherung mittels invasiver Diagnostik wird eine Druckmessung des betroffenen Kompartments vorgenommen. Wichtig sind beim chronischen Kompartmentsyndrom nicht die absoluten Werte, sondern der Unterschied der Druckverhältnisse vor und nach der Belastung. Nimmt der Logendruck analog zur Beschwerdesymptomatik nach Belastung erheblich zu, so gilt die Diagnose als gesichert. Durchgeführt wird eine solche Messung invasiv, das heißt durch Einstechen einer Nadelsonde in die betroffene Muskelloge, zunächst vor und anschließend nach der zu den typischen Symptomen führenden Belastung.

 

Kriterien zur Diagnosestellung der invasiven Messung nach Pedowitz et al:

 

1.   Kompartmentdruck in Ruhe > 15 mmHg

2.  Kompartmentdruck 1 Minute nach Belastung > 30 mmHg

3.  Kompartmentdruck 5 Minuten nach Belastung > 20 mmHg

  

 

MRT  (kein Standardverfahren)

 

In einer fest vorgegebenen Position werden 2 Schnittbild-Untersuchungen durchgeführt. Die erste in Ruhe. Eine Minute nach einer exakt vorgegebenen Belastungsphase auf dem Laufband folgt dann die 2. Untersuchung. Ausgewertet wird die Veränderung der Dichtewerte durch die Belastung im betroffenen Kompartiment im Vergleich zur Veränderung eines nicht betroffenen Bereiches. Mit einer Sensitivität von 77% ist die MRT-Untersuchung vergleichbar mit der invasiven Druckmessung. Vorteil ist die nicht benötigte Invasivität. Nachteil ist auch hier die fehlende Graduierung.

 

NIRS (kein Standardverfahren)

 

Die sogenannte infrarotnahe Spektroskopie ist eine funktionelle Untersuchung. Hier wird die Sauerstoffsättigung des Hämoglobins (Blutfarbstoff) gemessen, die durch eine Druckerhöhung im Kompartment sinkt. Diese Untersuchung ist mit einer Senstivität von 85% genauer als die MRT-Untersuchung und die invasive Druckmessung. Nachteil ist, dass sie keine Graduierung erlaubt, wir können also nicht das Ausmaß der Druckzunahme erkennen.



Therapieformen des funktionellen Kompartmentsyndrom

Wie bekomme ich das wieder weg? Wir zeigen Ihnen Wege. Ihre Lauftechnik ist entscheidend. Ihre Schuhe auch. Und Ihre Beinachsenstabilität. Diese komplexe Verletzung gehört in Profi-Hände. Wir sind Ihre Ansprechpartner.


Therapie

35% aller Operierten erleiden einen Rückfall.

Ob dieser Schritt also wirklich nötig ist, können wir Ihnen sagen. Vereinbaren Sie einen Termin.

Im Gegensatz zum akuten Kompartmentsyndrom ist die Erstlinientherapie der funktionellen Form konservativer Natur.  Erfolge sind allerdings schwierig zu erreichen und beschränken sich meist auf das vordere Kompartmentsyndrom. Die Maßnahmen umfassen

  1. Optimierung der Lauftechnik
  2. Dehnung und Detonisierung
  3. Vorsichtige Kräftigung der betroffenen Muskeln
  4. Dosiertes Bergaufgehen
  5. Optimierung der Schuh- und Einlagenversorgung
  6. Ultima ratio: Operative Fasziotomie

Da es sich, wie der Name schon sagt, um ein funktionelles Problem handelt, kommt der Vermeidung der auslösenden Faktoren eine Schlüsselbedeutung zu. Wenn möglich, sollte durch Techniktraining „Overstriding“ sowie ein vermehrtes „Hochziehen des Fußes“ (Dorsalextension) vermieden werden. Dies kann durch eine Verminderung der Schrittlänge sowie eine Erhöhung der Schrittfrequenz unterstützt werden. Wenn möglich, sollte die Lauftechnik auf einen Mittelfußlaufstil umgestellt werden. Barfußläufe und Propriozeptionstraining auf dem Weichboden sind hilfreich, um den Laufstil zu verbessern. 

  

Dehnübungen, Blackrolltraining oder manualtherapeutische Maßnahmen kommen ebenfalls zur Verringerung der bestehenden Muskelspannung (Detonisierung) zum Einsatz. 

Es sollte außerdem eine langsame und gezielte Kräftigung der betroffenen Muskulatur erfolgen. Durch die schrittweise Muskelhypertrophie dehnt sich auch die umgebene Faszie und der Muskel wird widerstandsfähiger und neigt erst später zu Überlastungen. 

Außerdem kommt auch dosiertes Bergaufgehen als Therapeutikum zum Einsatz. Besonders kontrolliert geht das auf dem Laufband mit einem leichten Steigungswinkel. 

 

Betroffene Läufer sollten auf Schuhe mit einer niedrigen Fersensprengung zurückgreifen. Sie verhindern einen extremen Fersenlauf und können dadurch die exzentrische Belastung reduzieren. 

 

Die letzte therapeutische Option (Ultima ratio) bei anhaltenden Beschwerden ist die Operation. Die sogenannte Fasziotomie beschreibt die operative Spaltung der Muskelfaszie. Dadurch wird für den Muskel Platz geschaffen und das Problem soll damit beseitigt werden. Es werden in der Literatur allerdings Rückfallwahrscheinlichkeiten von bis zu 35 % nach Fasziotomie genannt (4). Außerdem treten Muskelverletzungen im Bereich der gespaltenen Faszie später gehäuft auf. Es gibt außerdem Hinweise, dass Patienten, bei denen die tiefe Flexorenloge betroffen ist, schlechter auf eine Operation ansprechen, als bei anderen Lokalisationen. Das kann an der schlechteren Erreichbarkeit und den damit verbundenen Schwierigkeiten liegen. 



Prognose

Liegt tatsächlich ein funktionelles Kompartmentsyndrom vor, ist die operative Faszienspaltung die Therapie der Wahl. Das gilt allerdings nur für das hintere Kompartment. Die Erfahrung lehrt aber, dass die Abgrenzung von anderen myofaszialen Schmerzen extrem schwierig ist. Vor der Operation sollten deshalb alle anderen Therpaieoptionen ausgeschöpft werden. Dies auch, weil 35 % der Operierten einen Rückfall erleiden.


Eine Sonderstellung nimmt allerdings das vordere Kompartmentsyndrom ein, da hier Veränderungen der Lauftechnik große biomechnische Veränderungen für das betroffene Kompartiemnt erreicht werden können. Dafür muss der Therapeut aber mit allen Facetten des Laufsports vertraut sein.



Tipp von Dr. Marquardt

Wähle den passenden Schuh zu deiner Lauftechnik!

Der falsche Laufschuh kann ein entscheidender Faktor in der Entstehung dieser Laufverletzung sein. Die wichtigste Eigenschaft des Schuhes in diesem Zusammenhang ist die sogenannte Sprengung, die möglichst niedrig sein sollte. Zur genaueren und differenzierteren Einschätzung sollte eine Bewegungsanalyse zur Einschätzung von Technikdefiziten muskulären Dysbalancen.

Schon gewusst?

Es gibt einige orthopädische Kollegen die dem funktionelle Kompartmentsyndrom fast seine Existenz absprechen wollen. Das sehe ich in der Tat anders, aber eines wird dadurch deutlich: Das Krankheitsbild ist selten und extrem schwer von anderen Schmerzauslösern zu unterscheiden. Bevor operiert wird, sollte deshalb wirklich jede andere Therapieoption getestet worden sein!



Weiterführende Infos

Eine gute Trainingsplanung ist entscheidend für Ihr effektivstes Training und dem Vorbeugen von Verletzungen. Hier finden Sie weitere hilfreiche Quellen oder Sie machen einfach einen Termin in unserer Praxis. Wir helfen Ihnen gerne.


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Behandlung

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Gute Besserung.



QUELLEN

(1) Niethard FU, Pfeil J, Biberthaler P. Duale reihe Orthopädie und Unfallchirurgie. Georg Thieme Verlag; 2017.

(2) Schünke M, Schulte E, Schumacher U, Voll M, Wesker K. Prometheus allgemeine anatomie und bewegungssystem, 2. überarbeitete und erweiterte auflage. . 2014.

(3) Wilder RP, Sethi S. Overuse injuries: Tendinopathies, stress fractures, compartment syndrome, and shin splints. Clinics in Sports Medicine. 2004;23(1):55-81. https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0278591903000851. doi: 10.1016/S0278-5919(03)00085-1. 

(4) Sugimoto D, Brilliant AN, d’Hemecourt DA, d’Hemecourt CA, Morse JM, d’Hemecourt PA. Running mechanics of females with bilateral compartment syndrome. Journal of Physical Therapy Science. 2018;30(8):1056-1062. https://jlc.jst.go.jp/DN/JLC/20084917056?from=SUMMON. doi: 10.1589/jpts.30.1056. 

(5) Textbook of running medicine. United States: ; 2001. http://catalog.hathitrust.org/Record/003566706.