EXPERTISE – BEHANDLUNGSSCHWERPUNKT
Epicondylitits ulnaris humeri, Golferellenbogen
Erkrankungen des Ellenbogengelenkes selbst: Freier Gelenkkörper, Schleimbeutelentzündung im Bereich des Ellenbogens, ...
Golferarm
Die Anatomie des Ellenbogengelenkes ist kompliziert. Es verbindet den Oberarmknochen (Humerus) mit den beiden Unterarmknochen Elle (Ulna) und Speiche (Radius) und wird aus drei Teilgelenken zusammengesetzt, die alle von einer gemeinsamen Gelenkkapsel umgeben sind:
Im Ellenbogengelenk werden Beuge- und Streckbewegungen ermöglicht. Außerdem ist das Ellenbogengelenk über komplexe Bewegungen der Speiche an Ein- und Auswärtswendungen (Pro- und Supinationsbewegungen) der Hand beteiligt.
Die komplexe knöcherne Anatomie ist durch eine Gelenkkapsel und einen straffen Bandapparat gesichert, welche ein Ausrenken oder eine Instabilität verhindern.
Epicondylus werden die knöchernen Vorsprünge des Oberarmknochens kurz vor dem Ellenbogengelenk genannt. Es gibt einen auf der Innenseite des Armes (Epicondylus medialis, Epicondylus humeri ulnaris) und auf der Außenseite (Epicondylus lateralis, Epicondylus humeri radialis). (2)
Entscheidend für die Krankheitsentstehung des Golfer-Ellenbogens ist der gemeinsame Ursprung der sogenannten Flexor-Pronator-Gruppe am inneren Knochenvorsprung. Hierzu gehören im Wesentlichen zwei Muskeln:
Die gemeinsame Ursprungssehne nennt man auch MCT (medial conjoint tendon). (1) In unmittelbarer Nähe zur MCT befinden sich sowohl stabilisierende Bänder des inneren Ellenbogens, als auch der Ellennerv (Nervus ulnaris). Der Nervus ulnaris ist einer der drei Hauptnerven, die den Unterarm versorgen. Er ist motorisch wesentlich verantwortlich für den Faustschluss der Langfinger, für das Spreizen der Langfinger, sowie unter anderem für die Handgelenksbeugung.
Er verläuft in einer tastbaren Rinne in unmittelbarer Nachbarschaft des Epicondylus medialis und ist unter der Haut tastbar. Bei einem Anstoßen des inneren Ellenbogens kann der exponierte Verlauf des Nervus ulnaris schmerzhaft spürbar werden, vielen bekannt als „Musikantenknochen“.
ANATOMIE
Golferellenbogen. Der Schmerz zieht sich über die Innenseite des Unterarms.
Der Golferellenbogen tritt etwa 7–10 mal seltener auf als der Tennisellenbogen. (3) Es zeigt sich, dass Männer in etwa doppelt so häufig betroffen sind wie Frauen. Die am häufigsten betroffene Altersgruppe befindet sich in der dritten bis fünften Lebensdekade. (4)
Mehr als 50% der Erkrankungen sind berufsbezogen. Entgegen der Vermutung, die der gebräuchliche Name „Golferellenbogen“ suggeriert, sind nur etwa 10–20% der Fälle bedingt durch Freizeitsport. Hier sind besonders Wurfsportarten betroffen. (1)
Im Gegensatz zum Tennisarm ist bei der Golferellenbogen der weit überwiegende Anteil der Erkrankung chronischer Natur. Nur in etwa 30% der Fälle sind akute Krankheitsverläufe zu beobachten.
Der entscheidende Risikofaktor für die Entstehung eines Golfer-Ellenbogens ist der sogenannte Valgusstress des Ellenbogens, der zu einer vermehrten Dehnung und damit erhöhten mechanischen
Belastung des inneren (medialen) Ellenbogens und besonders der sogenannten Flexor-Pronator-Gruppe führt. Valgusstress bedeutet eine Zugbelastung durch eine Art aufklappende Bewegung im Bereich
des medialen, also Ellen-seitigen (ulnaren) Ellenbogens. Vor allem handwerkliche Berufe wie Klempner oder Zimmermänner besitzen aufgrund der täglichen Bewegungsabläufe ein erhöhtes
Risikoprofil.
Vermehrte Belastung des inneren Ellenbogens (Valgusstress) kommt häufig auch in Wurfsportarten (Speerwurf, Baseball, Football) aber auch im Tennis- oder Golfsport vor. (1)
Zuletzt sind vorherige Verletzungen im Bereich des Ellenbogens ein Risikofaktor für die Entwicklung eines Golfer-Ellenbogens.
Schmerzen treten typischerweise während und nach typischer Belastung wie wiederholter Einwärtsdrehung der Hand (repetitive Pronationsbewegung) auf. Sie beginnen in der Regel schleichend und persistieren in Ruhe. Typischerweise zeigt sich ein stechender Schmerz im Bereich des gemeinsamen Sehnenursprunges am medialen Epicondylus. Die Beschwerden strahlen oft in die Beugeseite des Unterarmes aus. Eine Bewegungseinschränkung beklagen die Betroffenen normalerweise nicht. Bei fortgeschrittenen Fällen zeigen sich Symptome, die auf eine Kompression des Nervus ulnaris schließen lassen:
Jeder periphere Nerv hat ein bestimmtes Versorgungsgebiet. Das heißt, dass der Ausfall eines Nerven ein ganz charakteristisches Muster hinterlässt: So entstehen im Falle des Nervus ulnaris Taubheitsgefühle oder aber Kribbelsensationen im Bereich seines Versorgungsgebietes: also des Kleinfingers sowie des äußeren halben Ringfingers und der äußeren Handkante. Außerdem können oben beschriebene Muskelfunktionen abgeschwächt sein.
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Eine Einteilung in Schweregrade kann nach Gabel (5) erfolgen und orientiert sich hauptsächlich an einer möglichen begleitenden Kompressionssymptomatik des Nervus ulnaris.
Typ |
MRT-Befund |
N. ulnaris- |
Ia |
Mediale Epicondylopathie |
nein |
Ib |
Mediale Epicondylopathie + milde Kompressionssymptomatik |
mild |
II |
Mediale Epicondylopathie und Zeichen einer moderaten bis schweren Neuropathie |
Ulnaris-neuropathie |
Eine passende Anamnese liefert gemeinsam mit der meistens typischen Beschwerdesymptomatik die wichtigsten Hinweise und ist, analog zur Diagnostik des Tennisellenbogens, richtungsweisend für die Diagnosestellung. In der körperlichen Untersuchung wird mithilfe von verschiedenen Provokationstests die Symptomatik reproduziert und der Verdacht erhärtet. Außerdem sollte immer das Bewegungsausmaß des Ellenbogengelenks untersucht werden, um etwaige Gelenkpathologien nicht zu übersehen. Das Ellenbogengelenk sollte zusätzlich auch auf eventuelle Instabilitäten überprüft werden. Häufig ist die Diagnose bereits nach diesen Schritten klar und weitere Diagnostik ist nicht nötig.
Besteht weiterhin noch keine Klarheit zur Ursache der Beschwerdesymptomatik, sollte im Anschluss an die körperliche Untersuchung wenn möglich eine Sonographie durchgeführt werden. Diese ist kostengünstig, leicht verfügbar und für die Beurteilung der Sehenursprünge (Flexor-Pronator-Gruppe) sehr gut geeignet. Wie bei anderen Sehnenproblematiken auch, kann die Sehnenbeschaffenheit sowie begleitende Befunde (Gefäßneubildungen (Neovaskularisationen) oder Schleimbeutelentzündungen (Bursitiden)) statisch und dynamisch (in Bewegung) beurteilt werden.
Zur Beurteilung der knöchernen Anatomie und zum Ausschluss von freien Gelenkkörpern, Verkalkungen oder Verknöcherungen können ebenfalls Röntgenbilder angefertigt werden.
Eine MRT-Untersuchung komplettiert die Diagnostik und kann die Verdachtsdiagnose beweisen.
Zusätzlich kann es nötig werden, sogenannte elektrophysiologische Untersuchungen anzuschließen. Diese dienen der Überprüfung der Nervenfunktion des Nervus ulnaris und können in unklaren Fällen für die Therapieentscheidung wichtig werden.
Neben der Untersuchung des Ellenbogens selbst sollte immer auch die Halswirbelsäule, die Schulter sowie umgebende Muskulatur untersucht werden, um mögliche alternative Auslöser für medialen Ellenbogenschmerz ausschließen zu können. (1)
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Grundsätzlich sollte versucht werden, zunächst die auslösenden Faktoren zu eliminieren. Fehlbelastungen bei der Arbeit sollten möglichst ergonomisch verbessert werden. Im Sport kann eine Technikoptimierung allein bereits den auslösenden Faktor beseitigen und sogar das Problem beheben.
Gegebenenfalls ist eine vollständige Belastungspause mit Ruhigstellung sinnvoll. Der Einsatz von Orthesen und Kinesiotapes kann unterstützend sinnvoll sein.
In Akutphasen ist die Querfriktionsbehandlung die klassische Behandlungsoption der Manuellen Therapie für den Golferellenbogen. Kombiniert mit Dehnübungen wird hierbei versucht mithilfe einer tiefen Massage quer zur Verlaufsrichtung der Sehnenansätze und Muskulatur ein Regenerationsreiz zu setzen. Die Durchblutung wird angeregt, der Muskeltonus soll gesenkt werden und Verklebungen sollen gelöst werden.
Ergänzt werden sollte die Therapie durch Exzentriktraining der Flexor-Pronator-Gruppe. Dies führt zu einer signifikanten Verbesserung der Kraft und reduziert die Schmerzen.
Wie bei anderen Therapiekonzepten von Tendinopathien bereits gehört, können ergänzend auch Verfahren wie Extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT), PRP-Injektionen, Iontophoresen oder Lasertherapie zum Einsatz kommen. (siehe Sehnentherapie)
Von sehnennahen Kortisoninjektionen wird aufgrund der Gefahr der Sehnendegeneration mit möglichem Sehnenriss abgeraten.
Beim Golferellenbogen (EHU Typ I a ) wird die operative Therapie nach 6–12 Monaten erfolgloser konservativer Therapie in Erwägung gezogen. Liegen Typ I b und Typ II der Erkrankung vor, so wird in der Regel direkt eine Operationsempfehlung ausgesprochen, um den komprimierten Nerven zu entlasten und weitere Nervenschäden zu verhindern. (5) Je nach Sehnenbeschaffenheit wird in diesem Fall ggf. auch nur der Nerv freigelegt, ohne Sehnengewebe zu entfernen.
Es existieren unterschiedliche Techniken, das Grundprinzip ist aber überall gleich. Zunächst wird der Sehnenansatz der Flexor-Pronator-Gruppe vom Knochen abgehoben, anschließend dann das krankhaft veränderte Sehnengewebe entfernt. Nach erfolgreicher Entfernung wird der Sehnenursprung wieder im Knochen verankert. Je nach neurologischer Symptomatik wird dann noch der Nervus ulnaris dekomprimiert, das heißt er wird aufgesucht und freigelegt, irritierende Strukturen werden entfernt. Manchmal ist es nötig, den Nerven vorzuverlagern und ihn somit vor zu viel Druck zu schützen. (1)
Mehr Informationen zur Stoßwellentherapie finden Sie hier. Wenn Sie weitere Fragen habe, beraten wir Sie gerne in unserer Video-Sprechstunde oder in unserer Praxis.
Grundsätzlich muss man sagen, dass die Prognose schlechter ist, als die des häufigeren Tennisellenbogens: Die Prognose der EHU richtet sich nach dem Schweregrad der Erkrankung und ist von der Beteiligung des Nervus ulnaris abhängig: Diese zeigt sich bei rund 50% der Betroffenen.
Typ-I-Läsionen lassen sich in 90% der Fälle mittels konservativer Therapie in den Griff bekommen.
Allerdings bedürfen zwischen 20% und 24% der Patienten, dessen Beschwerden nicht verbessert werden können, operative Maßnahmen. (4,6) Je weiter fortgeschritten die Erkrankung, desto schlechter zeigen sich auch die Operationsergebnisse (Typ II schlechter als Typ I a und b). (5)
Es gelten dieselben Therapieprinzipien wie beim häufigeren Tennisellenbogen: Reiz vermeiden, Exzentriktraining, Dehnung und Stoßwellentherapie. Eine Reevaluation des Arbeitsplatzes sollte im Hinblick auf Ergonomie erfolgen: Durch mögliche Reduktion krankheitsbedingter Fehlzeiten hat nicht nur der Betroffene, sondern auch der Arbeitgeber etwas davon.
ÜBUNG 1
Flossing
Wickeln Sie Ihren Unteram beginnend vom Handgelenk her und fangen immer herzfern an. Sie geben den Zug einseitig auf die Oberseite des Unterarmes, halten den Zug und lassen den Zug locker um den Unteram weiter auslaufen. Decken Sie die komplette Haut ab. Die letzte Umwicklung führen Sie locker durch und stecken das Band fest unter die letzte Lage. Die Wicklung sollte den Ellenbogen mit einschließen, dafür ggf. etwas oberhalb des Unterarmes beginnen. Bewegen Sie zuerst die Hand mehrfach ohne Gewicht, um auszuschließen, dass Sie kein Gefäß abgeschnürt haben und Ihre Finger blau anlaufen. Führen Sie nun das Exzentrikraining* durch. Wickeln Sie das Band zügig ab und lassen den Arm locker herabhängen, damit das Blut - wie ein Wasserfall - in den Arm und die Hand zurückfließen kann.
*Exzentriktraining
Setzen Sie sich an einen Tisch und positionieren Sie sich so, dass der Unterarm auf dem Tisch aufliegt und die Hand mit der Hantel über die Tischkante hängt. Die Handfläche zeigt Richtung Decke. Beugen Sie Ihre Hand mit der Hantel so weit wie möglich und halten Sie diese Position 2 Sekunden. Lassen Sie nun die Hantel langsam herabsinken bis der Unterarmbeuger in Dehnung und die Hantel in den Fingerspitzen befindet und halten Sie diese Position 2 Sekunden.
Wiederholungsanzahl:
6 x 15 Wdh. für 12 Wochen
ÜBUNG 2
Befestigen Sie ein Gewicht über ein Seil an einem Stab. Nehmen Sie die Hände auf Höhe des Ellenbogens und halten den Stab mit einem Untergriff (Handflächen zeigen nach oben). Nehmen Sie die
Ellenbogen eng an den Körper. Wickeln Sie nun das Gewicht über das Seil auf und wieder ab. Achten Sie darauf, dass die jeweilig aktive Hand Ihren Bewegungsradius (ROM) voll ausnutzt und die
Ellenbogen ruhig stehen bleiben.
Wiederholungszahl: 8–12 Wdh.
ÜBUNG 3
ÜBUNG 4
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Gute Besserung.
QUELLEN
(1) Becher C, Camathias C, Cook J, et al. Die sehne: Leitfaden zur Behandlung von Sehnenpathologien. Walter de Gruyter GmbH & Co KG; 2017.
(2) Schünke M, Schulte E, Schumacher U, Voll M, Wesker K. Prometheus allgemeine Anatomie und Bewegungssystem, 2. überarbeitete und erweiterte Auflage. . 2014.
(3) Ciccotti MC, Schwartz MA, Ciccotti MG. Diagnosis and treatment of medial epicondylitis of the elbow. Clinics in Sports Medicine. 2004;23(4):693-705. https://www.sportsmed.theclinics.com/article/S0278-5919(04)00044-4/abstract. Accessed Feb 15, 2019. doi: 10.1016/j.csm.2004.04.011.
(4) Ct VJ, Fw J. Surgical treatment of medial epicondylitis: Results in 35 elbows. Clinical Journal of Sport Medicine. 1992;2(1):73. https://journals.lww.com/cjsportsmed/Citation/1992/01000/Surgical_treatment_of_medial_epicondylitis_.16.aspx. Accessed Feb 14, 2019.
(5) Gabel GT, Morrey BF. Operative treatment of medical epicondylitis. influence of concomitant ulnar neuropathy at the elbow. JBJS. 1995;77(7):1065. https://journals.lww.com/jbjsjournal/Abstract/1995/07000/Operative_treatment_of_medical_epicondylitis_.13.aspx. Accessed Feb 14, 2019.
(6) Vinod, Amrit V., BA|Ross, Glen, MD. An effective approach to diagnosis and surgical repair of refractory medial epicondylitis. Journal of Shoulder and Elbow Surgery. 2015;24(8):1172-1177. https://www.clinicalkey.es/playcontent/1-s2.0-S1058274615001585. doi: 10.1016/j.jse.2015.03.017.